Ich hatte heute einen für meine Verhältnisse spektakulären Abend. Über einige Umwege bin ich als Zuschauer in die Kino-Premiere und Pressevorführung des neuen Hamburger Tatorts „Willkommen in Hamburg“ mit Til Schweiger gekommen. Geladen war eigentlich mein Chef, der aber nicht konnte und deshalb seinen Platz einer Kollegin offerierte, die ihn wiederum mir anbot. Wenn also irgend jemand fragt: Heute Abend war ich Uwe Hasebrink…
Nun bin ich sonst eher selten bei solchen Medienereignissen zugegen, und entsprechend unerfahren ging ich an die Sache heran. Nach meinen Informationen sollte ich 19:00 Uhr am Passage-Kino in Hamburg sein. Weil ich immer pünktlich bin, war ich schon eine Viertel Stunde eher da und durfte feststellen, dass ein Absperrband und zwei große, breite Männer den Einlass versperrten. Ein angeregtes Gespräch mit einem der beiden („Presse oder privat?“ „Ich, äh, ich bin hier als Vertre-“ „Presse oder privat?“ „Öhm. Privat.“) ergab, dass Nicht-Pressemenschen erst Punkt 7 rein dürften. Also kam ich 19:00 Uhr wieder und bekam mit Hilfe der Losung „Mein Name ist Uwe Hasebrink“ das hier:
Wie man sieht, fing der Film überraschenderweise erst 20:00 Uhr an. Ich konnte also noch eine ganze Stunde in einem aus mir unerfindlichen Gründen schon brechend vollen Foyer rumstehen. Also platzierte ich mich in der Nähe einer hungrigen Meute von Pressefotografen vor einer „Tatort“-Werbewand, vor der ein roter Fußabtreter platziert war. In Abständen von mehreren Minuten fand dann ein faszinierendes Schauspiel statt: Es kam irgend ein scheinbar total berühmter Mensch – in den meisten Fällen vermutlich Schauspieler – und die Fotografen vergaßen sofort ihre gute Kinderstube. Sie stapelten sich übereinander oder stellten sich auf wackelige leere Getränkekästen und knipsten wie irre drauflos. Dabei brüllten sie Dinge wie „[Vorname des Schauspielers/der Schauspielerin], hier oben! Hier! Und nochmal eine dynamische Pose bitte!“ oder sowas in der Art. Ich bin mir noch nicht ganz im Klaren darüber, vor wem ich mehr die Achtung verlor. Den wie Idioten gröhlenden Fotografenhyänen oder den dümmlichen Schauspielern, die auch noch machten, was sie ihnen zuriefen. Ich hätte mich nicht gewundert, wenn sie auch angefangen hätten, sich wie Schimpansen gegenseitig mit Kotbröckchen zu bewerfen.
Nun kenne ich leider genau 0 deutsche Schauspieler/Schauspielerinnen, deshalb kann ich nicht sagen, wer da nun fotografiert wurde. Aber die wirklich coolen Leute sind ohnehin HINTER den ganzen Fotografen ins Kino gegangen. Einen habe ich dann aber doch erkannt, nämlich Kai Pflaume, hier gerade ins Gespräch mit einer Dame von der Presse vertieft:
Und dann kam auch irgendwann endlich der, wegen dem überhaupt alle da waren. Der Til, zusammen mit einigen anderen Tatort-Beteiligten. Da habe ich dann auch mal ein paar Bilder mit meinem Telefon geknipst. Nehmt das, Pressefotografen mit euren Getränkekisten-Plätzen und euren superteuren Spiegelreflexkameras!
Hier ist der Herr Schweiger zusammen mit seinem Tatort-Partner Fahri Yardim. Die Mütze hat er übrigens den ganzen Abend getragen.
Und hier noch ein Gruppenbild der Hauptbeteiligten. Ganz links ist Christian Granderath (Tatort-Redakteur), daneben der eben schon erwähnte Fahri Yardim. Es folgt der Regisseur des Tatorts, Christian Alvart. Es folgen dann wiederum Nicole Mercedes Müller, Til Schweiger und der Intendant des NDR und ich glaube derzeitiger ARD-Vorsitzende Lutz Marmor. Alle auf einem, schlechten Bild von mir…
Dann bin ich auf meinen Platz in den eigentlichen Kinosaal gegangen und nach ein paar kurzen Selbstbeweihräucherungsreden einiger Verantwortlicher ging es endlich los. Die Tatort-Titelmusik (unveränderter Vorspann übrigens, falls es da Befürchtungen gab) und dann der Film. Um die Handlung kurz und spoilerfrei zusammen zu fassen: Nikolas „Nick“ Tschiller (Til Schweiger) ist neu in Hamburg und will zusammen mit seinem entsprechend neuen Partner Yalcin Gümer (Fahri Yardim) einen Mädchenhändlerring sprengen. Helfen soll ihm dabei eine der anfänglich befreiten Prostituieren, Tereza (Nicole Mercedes Müller). Irgend eine dubiose Rolle spielt dabei auch noch sein Ex-Partner (beruflich, versteht sich) und dessen Freundin.
Nun wurde vorab bereits einiges über den neuen Tatort berichtet, hauptsächlich tendenziell negativ. Und auch ich war mehr als skeptisch, weil ich eigentlich kein besonders großer Fan von Herrn Schweiger und seinen Filmen bin. Ich fand allerdings, dass der präsentierte Tatort durchaus einen beträchtlichen Unterhaltungswert besitzt. Die Action wirkt weniger billig, als ich befürchtet hatte. Besonders die Kameraarbeit fand ich durchaus ambitioniert – es wird häufig versucht, das ganze in One-Shot-Aufnahmen zu inszenieren. Also ohne sichtbare Schnitte, so dass das Ganze etwas realistischer wirkt. Und ich finde, das ist durchaus gelungen. Der Humor, mitunter auch selbstironisch (in einer Szene entschuldigt sich Nick Tschiller für seine undeutliche Aussprache mit „Ich nuschel manchmal ein bisschen.“), kommt auch nicht zu kurz. Zwar wirken manche Sprüche etwas aufgesetzt, passen aber zu dem ohnehin sehr übertrieben filmischen Charakter von Herrn Tschiller. Der eigentliche comic relief lastet ohnehin auf seinem Sidekick Yalcin Gümer, und der macht das sehr ordentlich. Es ist also, wie auch zuvor bereits bekannt geworden, ein sich sehr am amerikanischen Popcorn-Kino orientierender Tatort. Und ich finde, das tut dieser alteingesessenen Fernsehfilmreihe – die dieses Jahr immerhin schon 43 Jahre alt wird – durchaus gut. Zumal die Schweiger-Tatorte nur einmal pro Jahr geplant sind und somit auch noch genug betuliche, deutsche Beamtenarbeit an den restlichen Sonntagen bewundert werden kann.
Kritik habe ich aber trotzdem noch. Til Schweigers echte Tochter Luna Schweiger spielt nämlich seine Filmtochter Lenny. Und die gemeinsamen Szenen der beiden, die offensichtlich des Raubeins Nick Tschillers weiche Seite als alleinerziehender Vater verdeutlichen sollen (*gähn*), sind wirklich grausam. Zum einen etwas holprig geschrieben, zum anderen hat Luna Schweiger das Schauspielerische Talent eines Weißbrots. Gegen sie wirkt Kristen Stewart wie Meryl Streep. Ich rate ihr dringend, schnell noch einen richtigen Beruf zu lernen. Und ich bin Kommunikationswissenschaftler! Man hätte diese Szenen jedenfalls gerne alle weglassen können. Zumal man Tschillers weiche Seite durchaus auch in seiner Beziehung zu Tereza, der geretteten Prostituierten, hätte deutlich machen können. Nun ja. Arthur Abraham (ja, der Boxer) hat übrigens genauso einen kurzen Gastauftritt wie der andere neue Hamburger Tatort-Kommissar Wotan Wilke Möhring. Ersterer wird glücklicherweise nach fünf Minuten erschossen.
Alles in allem muss ich konstatieren, dass mir der erste Schweiger-Tatort durchaus gut gefallen hat. Er bricht aus den typischen Tatort-Abläufen aus (es gibt KEINEN Halb-Zehn-Verdächtigen!) und bringt mal ein bisschen Schwung in die betagte Serie. Nun mag der Schwung ziemlich klischeehaft und plakativ sein, und vielleicht auch typisch Schweiger. Aber glücklicherweise gucke ich ja keine anderen Filme vom lieben Til, so dass ich 90 Minuten Tatort pro Jahr gut ertragen kann. Er kann also von mir aus gerne weitermachen. Willkommen in Hamburg!